In der Märkischen Allgemeinen Zeitung erschien heute ein Artikel, in dem über den Inhalt des Grundstücksübertragungsvertrages zwischen der Landeshauptstadt Potsdam (LHP) und der Stiftung Garnisonkirche Potsdam (SGP) spekuliert und auch der Stiftungszweck falsch interpretiert wird.

MAZ 29.12.2021 Kompromiss zur Garnisonkirche wackelt

Entgegen der Darstellung in der MAZ besteht der Stiftungszweck nicht im Aufbau der Garnisonkirche. Die Stiftungssatzung zählt in § 2 (1) stattdessen kirchliche Zwecke, Förderung der Religion, Förderung von Kunst und Kultur und Förderung der Toleranz und Völkerverständigung auf. Der Aufbau der Garnisonkirche wird nur als eines von mehreren Mitteln zur Umsetzung dieses Stiftungszweckes aufgeführt.

Bemerkenswert ist auch, dass die Stadtverordneten Wieland Niekisch (CDU) und Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) über den zwischen Stadt und Stiftung geschlossenen Vertrag spekulieren, statt ihr Stadtverordnetenmandat zu nutzen, um ihn zu lesen. Die Fraktion DIE aNDERE hat bereits vor Jahren ihr Recht auf Akteneinsicht wahrgenommen.

Die Vertragsregelungen untersagen der SGP nicht explizit die Verpachtung von Grundstücksteilen. Nach § 3 (Bauverpflichtung) ist die SGP aber verpflichtet, bei Scheitern des Wiederaufbaus der Garnisonkirche auf Antrag der LHP die übertragenen Grundstücke unentgeltlich und grundbuchlich unbelastet zurückzugeben.  Auch wann ein Scheitern des Wiederaufbaus vorliegt, ist im Vertrag geregelt:

„Ein endgültiges Scheitern des Wiederaufbaus der Garnisonkirche durch die Stiftung ist anzunehmen, wenn bis 31.12.2030 nicht wesentliche Teile der Garnisonkirche wiederrichtet sind und die Finanzierung des Wiederaufbaus zu diesem Zeitpunkt nicht konkret absehbar ist.“
Die Verpachtung des Grundstückes scheitert also nicht am Stiftungszweck, sondern am Scheitern des Aufbauprojektes.

 

 

Am 01.12.2021 beschloss die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, Paul von Hindenburg die Ehrenbürgerschaft posthum abzuerkennen. Diese Entscheidung hat eine sehr lange Vorgeschichte, die wir hiermit dokumentieren möchten.

Zum ersten Male beantragte die Fraktion DIE aNDERE (damals noch in anderer Schreibweise) im Jahre 2003 die Streichung Hindenburgs aus der Potsdamer Ehrenbürgerliste (03/SVV/0022). Leider wurde das Stimmverhalten der damaligen Stadtverordneten nicht dokumentiert, weil auf Antrag der SPD die Abstimmung nicht namentlich, sondern geheim erfolgte. Überliefert ist allerdings das Wortprotokoll dieses Tagesordnungspunktes aus der Stadtverordnetenversammlung am 05.03.2003. Es gibt einen interessanten Einblick in die Argumentationsmuster und den Umgang der Stadtverordneten mit der Thematik.

Wortprotokoll SVV 05.03.2003 TOP Streichung Hindenburg aus der Ehrenbürgerliste

 

 

Den nächsten Antrags-Anlauf unternahm unsere Fraktion 2012 (12/SVV/0844). Auch dieser wurde vor allem mit formalen Argumenten abgelehnt.

Antrag 12/SVV/0844 Streichung Hindenburgs aus der Ehrenbürgerliste

Die mit großer Geste wiederholte „Distanzierung“ verhallte auch diesmal folgenlos. Hindenburg wurde weiter unverändert in der Ehrenbürgerliste geführt, die auf Nachfrage an Interessierte und Journalistinnen zugesendet und im Internet verbreitet wird.

Eine neue Wendung bekam die Diskussion, als die Kulturbeigeordnete 2021 die posthume Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Joseph Goebbels beantragte. Die Ehrenbürgerwürde war 1938 durch die damals eigenständige Stadt Babelsberg verliehen und erst 2021 in deren Unterlagen wieder entdeckt worden.  Während die Kuturverwaltung mit der beantragten posthumen Aberkennung den erinnerungspolitisch modernen Weg ging, beantragte Saskia Hüneke (Bündnis 90/Die Grünen) wie bereits 18 Jahre zuvor, es bei einer Distanzierung zu belassen. Letztlich erhielten in der SVV am 03.11.2021 beide Anträge eine Mehrheit.

Antrag 21/SVV/1148 Posthume Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Joseph Goebbels

Antrag 21/SVV/1064 Distanzierung von der Ehernbürgerschaft von Joseph Goebbels

Damit war ein Präzedenzfall geschaffen, der belegt, dass eine Aberkennung der Ehrenbürgerschaft auch nach dem Tode möglich ist und erinnerungspolitisch wichtig sein kann.

In der Stadtverordnetenversammlung stimmte dann endlich am 01.12.2021 eine übergroße Mehrheit für den Antrag der Fraktion DIE aNDERE (21/SVV/1200), dem Steigbügelhalter Hitlers – Paul von Hindenburg – posthum die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen. Nach der Antragseinbringung durch die Kulturausschussvorsitzende Monique Tinney gab es keinen Diskussionsbedarf mehr. Ohne Debatte und Überweisung in die Fachausschüsse wurde der Antrag fast einstimmig angenommen.

Antrag 21/SVV/1200 Postume Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Paul von Hindenburgs